Beschlossen auf der Kreisvollversammlung 2019, am 31.05.2019
„Wir wollen starke und handlungsfähige Gewerkschaften, die große Teile der Belegschaften repräsentieren und streikfähig sind.“ Dieser Satz aus dem Hamburger Programm muss in der sozialdemokratischen Politik wieder stärker betont und gelebt werden. Wenn ein tariflicher Stundenlohn für eine Fachkraft mit dreijährger Berufsausbildung nur knapp über dem Mindestlohn liegt, wie beispielsweise im Hotel- und Gaststättengewerbe in Schleswig-Holstein, läuft etwas schief. Es zeigt, dass die Gewerkschaften nicht die Mittel und Möglichkeiten haben, um auf Augenhöhe mit den Arbeitgeberverbänden zu verhandeln. Der gewerkschaftliche Nettoorganisationsgrad in Deutschland sank zwischen 1980 und 2000 von knapp 34 auf nur noch 21,3 Prozent und liegt aktuellen Schätzungen zufolge mittlerweile noch deutlich niedriger. Eine Mehrheit der Beschäftigten sieht die Gewerkschaft offenbar nicht mehr als ihre natürliche Interessenvertretung.
Arbeitgeberverbände haben andere Ressourcen, geben beispielsweise über die „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ kostenfreie Lehrmittel an Schulen und Lehrkräfte aus, um die Bildung im Sinne der neoliberalen Weltanschauung unterschwellig zu beeinflussen. Gewerkschaften kann der Zugang zu den Berufsschulen ihrer Branchen unter Verweis auf das Hausrecht unter Umständen verwehrt werden. Auch an allgemeinbildenden Schulen kommt die Wichtigkeit eines ausgeglichenen Verhältnisses der Sozialpartner für eine gerechte Gesellschaft zu kurz. Im schleswig-holsteinischen Berufsschullehrplan für das Fach Wirtschaft/Politik wird etwa das Wort „Gewerkschaft“ nicht ein einziges Mal genannt. Dabei ist der überwiegende Teil der heutigen Schüler*innen in Zukunft Arbeitnehmer*in und sollte entsprechend beim Einstieg in die Arbeitswelt über die eigenen Rechte und Möglichkeiten informiert worden sein.
Im Bereich der Erwachsenenbildung ist die Situation etwas unübersichtlich. Eigentlich sollte es in ganz Deutschland eine Regelung zum Bildungsurlaub geben – so steht es in einem Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Übereinkommen 140) zum bezahlten Bildungsurlaub, das die Bundesrepublik 1976 ratifiziert hat. Ein Bundesgesetz wurde allerdings nie erlassen. Mittlerweile haben fast alle Bundesländer Landesgesetze zum Bildungsurlaub verabschiedet. Es gibt ihn also nahezu überall, außer in Bayern und Sachsen. Die Gesetze ähneln sich, weichen aber in Details voneinander ab, was es für Beschäftigte nicht leichter macht. Nur teilweise gibt es gegenseitige Anerkennungen, bzw. Anerkennungsverfahren. Dies bedeutet in der Praxis: Wenn ein Seminar in einen Land als Bildungsurlaub anerkannt ist, muss es im Nachbarland nicht auch so sein. Dieser Zustand bereitet vielen Interessierten unnötige bürokratische Hürden.
Es ist seit Jahren zu erkennen, dass sich Ausbildungsberufe von Akademikerberufen, bzw. Auszubildende von Studierenden in der gesellschaftlichen Achtung voneinander entfernen. Auszubildende sind die zukünftigen Fachkräfte und diese werden in beinahe allen Branchen dringend gebraucht. Damit sich junge Menschen wieder in einer breiteren Masse für Ausbildungsberufe entscheiden, müssen aber die Rahmenbedingungen deutlich verbessert werden. So gibt es etwa in Hamburg ein Azubiwerk, welches Auszubildenden unter Anderem bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellt und bei vielerlei Fragen beratend tätig ist.
Eine weitere Option zur Aufklärung, Beratung und Stärkung der Position der Arbeitnehmerschaft können sogenannte Arbeitnehmerkammern sein, wie sie beispielsweise in Bremen, im Saarland oder in Österreich existieren. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts können sie – natürlich Hand in Hand mit den Gewerkschaften – als niederschwellige Beratungsstelle für Beschäftigte (etwa bei Fragen zu Steuer- oder Arbeitsrecht, zu Sozialleistungen oder Ähnlichem) fungieren. Außerdem können Arbeitnehmerkammern diskrete Anlaufstellen für Arbeitnehmer*innen sein, die in ihren Betrieben Fehlverhalten oder Gesetzesverstöße (z.B. Umgehung des Mindestlohns, Missachtung des Arbeitszeitgesetzes, Mobbing, etc.) beobachten und diese Informationen anonym an die zuständigen Behörden weiterleiten.
Folgende Punkte sind zu beschließen:
- Vertreter*innen von Gewerkschaften sollen bundesweit uneingeschränkten Zugang zu den öffentlichen Bereichen der Berufsschulen ihrer Branche bekommen. Gewerkschaften müssen das Recht haben alle Schüler*innen, auch solche ohne betriebliche Interessenvertretung, über ihre Arbeit zu informieren und Auszubildende zu werben.
- Alle bildungspolitischen Verantwortungsträger*innen in der SPD auf Landes- und Bundesebene werden beauftragt, sich dafür einzusetzen, der Bedeutung der Sozialpartner für eine Gesellschaft im Schulunterricht eine höhere Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Dies gilt für allgemeinbildende Schulen ebenso wie für Berufsschulen.
- Auf Bundesebene setzen sich die Jusos Schleswig-Holstein dafür ein, einheitliche Regelungen für den Bildungsurlaub zu finden. Entsprechende Seminare und Veranstaltung müssen in allen Bundesländern gleichermaßen anerkannt sein. Die SPD-Landtagsfraktion wird beauftragt, sich für eine Reform des Bildungsurlaubsgesetzes stark zu machen. Dabei gelten folgende Maßgaben:
- Unter 25-jährige haben die Möglichkeit 10 Tage Bildungsurlaub pro Jahr zu nehmen.
- Arbeitnehmer*innen können ihren Anspruch auf Freistellung auch für Schulungen zur Wahrnehmung eines Ehrenamtes geltend machen.
- Veranstaltungen, die in einem anderen Bundesland als Bildungsurlaub anerkannt sind, werden grundsätzlich auch in Schleswig-Holstein anerkannt.
- Beschäftigte mit geringem Einkommen können eine Erstattung der Seminargebühren beim Land Schleswig-Holstein beantragen.
- Die SPD-Landtagsfraktion wird beautragt zu prüfen, ob und in welcher Form „Azubiwerke“ nach Hamburger Vorbild in den größeren Städten des Landes sinnvoll konstituiert werden können.
- Die SPD-Landtagsfraktion wird beauftragt, sich für ein landesweites Azubi- und Schüler*innenticket
Die SPD-Landtagsfraktion wird beauftragt zu prüfen, ob und in welcher Form Arbeitnehmerkammern in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften eingerichtet werden sollten.