Beschlossen auf der Kreisvollversammlung 2019, am 31.05.2019
Wir sehen eine Welt im Angesicht enormer Herausforderungen. In Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs sind – national wie international – so gut wie alle Staaten chronisch unterfinanziert. Vom “Gute-Kita-Gesetz” bis zum “Digitalpakt Schule” reicht es selbst bei großangelegten Reformprojekten zu kaum mehr als einem Tropfen auf den heißen Stein. Die Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten demokratischen Regierens nehmen so immer weiter ab.
Gleichzeitig driftet unsere Gesellschaft immer weiter auseinander. Während immer mehr jeden Monat aufs Neue sehen müssen, wie sie ihre Miete noch zahlen und über die Runden kommen sollen, können andere kaum so schnell gucken, wie sich ihr ererbtes Vermögen von selbst vermehrt. Während also immer mehr auf den Staat angewiesen sind, ist er zunehmend nicht dazu in der Lage, ihnen die erforderliche Unterstützung zu gewähren.
Wenn in Deutschland die reichsten 45 so viel Vermögen haben wie die gesamte untere Hälfte der Gesellschaft, läuft etwas grundlegend schief. Niemand kann ernsthaft auf die Idee kommen, eine solche Diskrepanz mit „Leistung“ erklären zu wollen. Deutlich wird dies vor allem, wenn man sich vor Augen führt, dass der maßgebliche Faktor für diese Ungleichverteilung nicht etwa unterschiedliche Einkommen sind, sondern vielmehr die Frage, ob und wie viel man erbt.
Es zeigt sich, dass in unserer marktwirtschaftlichen Gesellschaft sich die Wohlstandsverteilung maßgeblich nach der eigenen Herkunft und nicht etwa dem eigenen Einsatz oder gar Bedarf richtet. Dieser Zustand ist für uns nicht haltbar! Deshalb fordern wir:
- eine Reform der Erbschaftssteuer, die endlich zu einer nennenswerten Besteuerung gerade hoher Erbschaften führt,
- Eine Abschaffung oder jedenfalls wesentliche Reduzierung der Umsatzsteuer, die gerade einkommensschwache Haushalte verhältnismäßig stark belastet, und
- die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.
Dabei wird der Wohlstand jedoch nicht nur direkt vererbt; vielmehr bestimmen sich auch die eigenen Bildungschancen maßgeblich nach dem Elternhaus. Die Folgen gehen hierbei aber weit über solche bloß wirtschaftlicher Art und damit die Pervertierung des ursozialdemokratischen Versprechens vom „Aufstieg durch Bildung“ hinaus. Von den Möglichkeiten zur gesellschaftlichen und politischen Teilhabe bis hin zur eigenen Lebenserwartung bestimmt sich die Entwicklung maßgeblich vor dem Hintergrund des eigenen Bildungsniveaus.
Das kann nicht sein! Bildung ist ein Menschenrecht, das allen gleichermaßen zur Verfügung stehen muss. Unabhängig vom Elternhaus brauchen deshalb alle Menschen Zugang zu einem ihren individuellen Bedürfnissen entsprechendes Bildungsangebot. Deshalb fordern wir:
- Von der Schüler*innenbeförderung über KiTa-Gebühren und Schulgelder bis zur realitätsfremden Bafög-Regelung gilt es, alle Zugangshindernisse zu Bildung zu beseitigen. Bildung muss kostenlos sein.
Auch auf dem Wohnungsmarkt werden Menschen in besonderer Weise ungleich belastet. Da das Angebot an Wohnraum nicht beliebig schnell ins unendliche gesteigert werden kann, ergibt sich eine besondere Machtstellung derer, die Wohnraum anbieten können. Für uns ist es deshalb eine staatliche Aufgabe, sicherzustellen, dass ausreichend Wohnraum verfügbar ist und Wohnen somit als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge zu begreifen.
Mit dem Mangel an Wohnraum innerhalb der letzten Jahre ging auch ein massiver Anstieg der Mieten einher, gleichzeitig haben große Wohnungsunternehmen, wie zum Beispiel Vonovia, immer höhere Gewinne einfahren können. Durch verschiedene Maßnahmen, wie zum Beispiel umfangreiche Renovierungsarbeiten, werden die Mieten trotz Mietpreisbremse immer weiter erhöht. Es zeigt sich, dass die Mietpreisbremse in der derzeitigen Ausgestaltung den Anstieg der Mieten noch nicht ausreichend eindämmen konnte. Die Kosten tragen dabei vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen, die einen hohen Anteil ihres verfügbaren Geldes für ihren Wohnraum opfern müssen.
Die Entwicklung zu immer höheren Mieten zeigt, dass staatlicher Wohnungsbau also vor allem sozialer Wohnungsbau sein muss. Mietsteigerungen lassen sich jedoch nur sehr langsam durch Neubau korrigieren. In Gebieten mit besonders hohen Mieten fehlt oftmals Baufläche und Mieter*innen leiden unter den teuren Maßnahmen der Wohnungsunternehmen. Deshalb müssen Enteignungen mit angemessener Entschädigung dort, wo die Mieten besonders hoch sind, als Option betrachtet werden.
- Gründung staatlicher Wohnungsbaugesellschaften in Ländern und Kommunen
- Förderung des sozialen Wohnungsbaus
- Verschärfung der Mietpreisbremse
- Enteignung großer Wohnungsunternehmen in Regionen mit besonders hohen Mieten
Die beschriebenen Probleme in den Bereichen Einkommens- und Vermögensverteilung, Bildung und Wohnen sind Symptome desselben Problems: Menschen mit Besitz haben eine außergewöhnliche Machtstellung, die mit bestehenden politischen Instrumenten noch nicht reguliert werden konnte. Deshalb ist es ihnen möglich großen Reichtum auf Kosten andere anzuhäufen und Privilegien an die eigenen Kinder zu vererben. Für uns ist klar, dass dieses System überwunden werden muss, denn es ist nicht gerecht.
Unser Ziel bleibt der demokratische Sozialismus, wie er im Hamburger Programm der SPD beschrieben ist:
“Unsere Geschichte ist geprägt von der Idee des demokratischen Sozialismus, einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, in der unsere Grundwerte verwirklicht sind. Sie verlangt eine Ordnung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, in der die bürgerlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte für alle Menschen garantiert sind, alle Menschen ein Leben ohne Ausbeutung, Unterdrückung und Gewalt, also in sozialer und menschlicher Sicherheit führen können.”
Die deutsche Sozialdemokratie war immer dann erfolgreich, wenn sie den Mut hatte, die großen Fragen der Zeit zu stellen und neue Antworten zu formulieren; “Wandel durch Annäherung”, “Mehr Demokratie wagen”, stark können wir nur sein, wenn wir weiterdenken, bestehende Strukturen hinterfragen und nicht in wirtschaftsliberalen Denkmustern hängen bleiben. Lasst uns gemeinsam wieder die Vision einer Gesellschaft aufbauen, wie wir sie uns vorstellen: Auf den Ideen des demokratischen Sozialismus!