Demokratie und Corona – Ein Rückblick auf das Krisenjahr 2020

Im vergangenen Jahr schlug das Corona-Virus mit voller Wucht ein. Seitdem begleitet es uns mitsamt seiner Folgen und der Alltag hat sich gewandelt. Veranstaltungen wurden abgesagt, Kultur- und Gastronomiebetriebe geschlossen, Grundrechte in besonderem Maße eingeschränkt. Die allermeisten Maßnahmen wurden per Verordnung geregelt, also ohne Mitsprache der Parlamente. Das geht schneller, ließ aber immer wieder Kritik laut werden, unsere Demokratie würde unter dem Deckmantel der Pandemiebekämpfung ausgehöhlt. Am lautesten opponierten die Rechten fragwürdigen Methoden. Wie also steht es um unsere demokratische Grundordnung?


Gesetze und Verordnungen

Zunächst müssen wir zwischen Gesetzen und Verordnungen unterscheiden: Auf Bundesebene betrachtet werden die meisten Gesetze von der Bundesregierung eingebracht. Aber auch Abgeordnete des Bundestags oder der Bundesrat, die Vertretung der Länder, können Initiativen starten. Es folgen mehrere Lesungen im Plenum und Beratungen in den Fachausschüssen, ehe ein Gesetz dann von Bundestag und Bundesrat beschlossen und abschließend vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden kann. Verordnungen hingegen werden lediglich von der Exekutive erlassen, unterliegen also auf den ersten Blick keiner parlamentarischen Kontrolle. Als Grundlage existiert immer ein Gesetz, welches detailliert regelt, zu welchem Zweck und mit welchem Inhalt eine Verordnung erlassen werden darf.

Im Bereich des Infektionsschutzes führt das zu einem Problem: Es ist unvorhersehbar, wie sich eine epidemische Lage entwickelt und welche genauen Eingriffe unter welchen Voraussetzungen zum Schutz der Menschen notwendig werden könnten. Daher lässt sich entsprechendes Gesetz im Vorfeld kaum so definieren, dass es im Ernstfall sinnvoll und zielgerichtet anwendbar wäre.

Kritik an Corona-Maßnahmen

Je nach Veränderung des Infektionsgeschehens wurden im Laufe des Jahres 2020 neue Regelungen und Verbote erlassen. Das betraf beispielsweise das Verbot von Großveranstaltungen, die Schließung von Gastronomie- und Dienstleistungsbetrieben sowie dem Einzelhandel oder Kontaktbeschränkungen. Aufgrund der Dringlichkeit geschah dies über Verordnungen. Streitpunkt war häufig die Frage, ob eine Verordnung noch innerhalb der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage liegt, oder darüber hinausgeht. Letzteres würde bedeuten, dass die Regierung ihre Kompetenz überschreitet und das zugehörige Parlament wiederum mit einbezogen werden müsste.

Auch die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen wurde immer wieder zurecht hinterfragt. Ob und unter welchen Voraussetzungen beispielsweise die Versammlungsfreiheit oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit höher zu bewerten ist, ist eine komplexe Frage und vom Einzelfall abhängig. Hier wurden oftmals die Gerichte angerufen und gaben teilweise den Klagenden Recht. Regelungen wurden also gekippt oder mussten nachgebessert werden.

Novelle des Infektionsschutzgesetzes

Auf diese Kritikpunkte reagierte die große Koalition auf Druck der SPD im November 2020. In der Novelle des Infektionsschutzgesetzes ist seitdem genauer geregelt welche Maßnahmen unter welchen Voraussetzungen erlassen werden können, wenn „eine epidemische Lage von nationaler Tragweite“ besteht. Bundestag und Bundesrat definierten hier also engere Grenzen, innerhalb derer sich die Regierungen der Länder und des Bundes bei der Pandemiebekämpfung bewegen dürfen.

Ist unsere Demokratie in Gefahr?

An zahlreichen Ereignissen des Jahres 2020 lässt sich ablesen, dass die rechtsstaatliche funktioniert: Verwaltungsgerichte erklärten einzelne administrative Maßnahmen für unzulässig. Die Kritik an dem wenig legitimierten Entscheidungsgremium der Ministerpräsident*innenkonferenz mit der Bundeskanzlerin wurde mit zunehmender Härte der Maßnahmen lauter. Abgeordnete des Bundestags und vieler Länderparlamente setzten sich erfolgreich für mehr Mitspracherecht ein. Demonstrationen durften trotz des Verbots von Massenveranstaltungen selbstverständlich stattfinden, solange Infektionsschutzregeln eingehalten wurden. die Regierungskoalition in ihrem Handeln.

Eines wurde in diesem Krisenjahr 2020 aber auch deutlich: Die Beteiligung der gewählten Volksvertreter*innen an politischen Prozessen hat eine wichtige vertrauensbildende Funktion für eine nachhaltige Akzeptanz der Maßnahmen. Der parlamentarische Betrieb muss dafür ungehindert stattfinden können. Bilder von Reichsbürgern auf der Treppe zum Parlamentsgebäude oder die Bedrohung von Abgeordneten auf dem Weg zur Abstimmung erinnern an dunkle Zeiten. Vielleicht macht uns diese Krise noch bewusster, wie wertvoll und schützenswert unsere Demokratie ist.

 

Autor:

Felix Wilsberg