Ein Rückblick

Was man in über zehn Jahren Mitgliedschaft im Europäischen Parlament erleben, bewegen und lernen kann, berichtet Ulrike Rodust.


Ein Gastbeitrag von Ulrike Rodust, von 2008 bis 2019 schleswig-holsteinische Abgeordnete im Europäischen Parlament.

 

Mehr als zehn Jahre durfte ich die schleswig-holsteinische SPD im Europäischen Parlament vertreten. Meine Begeisterung für das Europäische Projekt und für das Europäische Parlament hat in diesen zehn Jahren nie nachgelassen. Die vielen Sprachen, die man im Parlamentsgebäudehört, die vielen Kulturen, die hier zusammentreffen, diese vielen Menschen mit ihren so unterschiedlichen Erfahrungen: In Brüssel versteht man schnell, wie großartig dieses Europa ist! Dass es sich lohnt, sich zu verständigen, um etwas zu bewegen.

Und das kann man in Brüssel: etwas bewegen und über Gesetzgebungentscheiden, die das Leben von so vielen Menschen beeinflusst. Mein Arbeitsschwerpunkt im EP war die Fischereipolitik und dass uns hier eine Reformgelungen ist, ist sicher mein schönster politischer Erfolg. Ich war auf Seiten des Europäischen Parlaments federführend für die Fischereireform zuständig und meinen Mitstreitern und mir ist es gelungen, eine satte Mehrheit für eine echte – sprich nachhaltige – Reform der Fischereipolitik zu mobilisieren.

Ich habe in den zurückliegenden Jahren immer wieder über das Abdriften nach rechts gesprochen und davor gewarnt, dass wir das zulassen. Doch dass wir tatsächlich an diesem Punkt ankommen mussten: Als jemand, der das Glück hatte, in einer Zeit leben zu dürfen, in der es so schien, als würde dieser Kontinent endlich zu einem dauerhaften Frieden und zu sozialer Gerechtigkeit finden, ist das schwer zu ertragen.

Etliche EU-Mitgliedstaaten wie Polen und Ungarn verabschieden sich vom Ideal der liberalen Demokratie; immer mehr Länder schotten sich abund die Briten haben tatsächlich für den Brexit gestimmt. Die Werte der Europäischen Union sind Freiheit und Solidarität, aber wofür die EU noch 2012 den Friedensnobelpreis erhielt, davon kann heute keine Rede mehr sein. Egoismus und Nationalismus sind die Leitlinien, nach denen heute gewählt und nach denen heute Politik gemacht wird. Unsere Koordinaten verschieben sich Stück für Stück nach rechts und was gestern undenkbar zu sagen gewesen wäre, ist heute normal.

Abschottung in der Politik und als Haltung der Menschen zerstört die europäische Idee! Das macht mir Angst, aber gleichzeitig erlebe ich viele Menschen, die jetzt erst recht für Freiheit, Toleranz, Solidarität und Gerechtigkeit aufstehen und endlich aufwachen. Die Europäische Einigung ist ein so kostbares Gut. Ich hoffe, dass wir das alle noch rechtzeitig begreifen! Bei der Europawahl am 26. Mai 2019 zur Wahl zu gehen ist deshalb so wichtig, wie selten. Mit Katarina Barley und Udo Bullmann haben wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fantastische Spitzenkandidaten und mitDelara Burkhardt und Enrico Kreft ist Schleswig-Holstein gleich doppelt gut aufgestellt für eine erfolgreiche Arbeit im Europäischen Parlament.

 

Dieser Artikel ist im 35. Stachel 05/2019 zur Europawahl 2019 erschienen.