Ein Gastbeitrag von Delara Burkhardt, der schleswig-holsteinischen Juso-Spitzenkandidatin zur Europawahl 2019
Europa – ein von Krieg zerfurchter Kontinent. Abermillionen von Menschen haben hier ihr leben verloren. Verfeindete Staaten standen sich Jahrzehnte gegenüber, scheinbar unversöhnlich. Erst mit Ende des Zweiten Weltkriegs und der Idee des französischen Außenministers mit deutschen Wurzeln, Robert Schumann, eine Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu gründen, kam es zu einer echten Annäherung. 68 Jahre später sind aus 6 Mitgliedsländern der Montanunion 28 Mitglieder der EU geworden. Und wieder stehen wir am Scheideweg. Brexit, Orban und PiS-Partei sind Schlagworte, die für die Bedrohung der EU von rechts stehen. Überall machen sich populistische Nationalisten breit, die das Europa der Einigung spalten wollen. Sie wollen uns in ein Europa der Nationen zurückwerfen. Zurück zu einem Europa, das sich selbst die Narben der Weltkriege und des Holocaust einritzte.
Alle fünf Jahre dürfen die 500 Millionen Menschen der Union wählen. Doch dieses Mal ist es besonders. Es geht um eine Entscheidungsfrage: Gewinnen die Rechten die Oberhand und führen uns zurück zu den alleinstehenden Nationalstaaten? Oder geben wir Europa neuen Schwung und eine neue Vision?
Für mich ist klar: Wir dürfen nicht aufhören, Europa weiterzudenken. Es gibt eine Menge zu tun. Wir müssen die drängenden Fragen der Menschen lösen, damit diese nicht auf die einfachen Antworten der Nationalist*innen reinfallen. So zum Beispiel in der Migrationspolitik. Die EU muss bedingungslos für den Schutz der Menschenwürde einstehen. Es ist für mich unerträglich, unter welchen Bedingungen Schutzsuchende fliehen und dass Menschen auf ihrer Flucht nach Europa hilflos im Mittelmeer ertrinken. Viel zu lange hat Europa nur zugeschaut und auf die Scheinlösungen von rechts reagiert, anstatt selbst zu gestalten. Dabei liegen viele kluge Ideen auf dem Tisch: Ich unterstütze das Konzept der „Solidarity Cities“ von Gesine Schwan. Europaweit geben Städte und Gemeinden – davon vier in Schleswig-Holstein – an, freiwillig Geflüchtete aufnehmen zu wollen. Ich möchte dafür kämpfen, dass die EU ihnen das möglich macht, sie dabei finanziell unterstützt und rechtlich absichert. Außerdem braucht es ein europäisches Seenotrettungsprogramm, damit wir Menschen in lebensbedrohlichen Lagen in Sicherheit bringen können. Es ist wichtig, Migrationspolitik auf der europäischen Ebene zu gestalten, damit wir die Staaten an den EU-Außengrenzen nicht länger allein lassen mit der humanitären Verantwortung. Mit vereinter Kraft kann es Europa gelingen, Migrationspolitik solidarisch und menschlich zu gestalten. Wenn wir diese Herausforderung meistern und die Menschen sich näherkommen, statt sich in Konkurrenzsituationen zu wähnen, wird den rechten Parteien ihre Grundlage genommen.
Mich treibt die Vision einer Weltgemeinschaft an, in der niemand gezwungen wird, seine Heimat zu verlassen. Eine Welt, in der Menschen überall die Möglichkeit bekommen, in Sicherheit zu leben und sich frei zu entfalten. Eine Vision, die in Anbetracht der Weltlage weit entfernt scheint: In jedem siebten Land der Erde herrscht Krieg oder ein bewaffneter Konflikt. Die EU muss in Anbetracht dieser Zahl eine verantwortungsvolle Rolle einnehmen: Europa muss eine globale Friedensmacht werden. Es ist aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges hervorgegangen und hat bewiesen, dass Frieden die unerlässliche Grundlage für gesellschaftlichen Fortschritt ist. Europa muss sich für friedliche Konfliktlösungen starkmachen und eine vermittelnde Rolle einnehmen. Eine umfassende Abrüstung ist dafür unerlässlich. Ich setze mich für einen Rüstungsstopp für Waffenlieferungen außerhalb der EU ein und auch für eine schrittweise Umwandlung der nationalstaatlichen Armeen in eine europäische Friedenstruppe.
Gleichzeitig wurden allein 2017 18,8 Millionen Menschen von Naturkatstrophen zur Flucht gezwungen. Viele dieser Katastrophen werden den Folgen des Klimawandels zugerechnet. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) warnte schon 2009, dass der Klimawandel zu einem Hauptfluchtgrund werden könnte. So zeichnet sich für ein humanes Europa eine weitere Herausforderung ab, die mit nationalen Lösungen nicht lösbar ist. Es braucht einen konsequenten Klimaschutz. Das CO2-Zertifikatprogramm oder das Verbot von Plastik-Einwegprodukten können nur der Anfang sein. Unternehmen müssen dafür zahlen, wenn sie mit ihren Produktionsweisen die Umwelt verpesten. Deswegen braucht es Steuern zur Einpreisung von Kosten, die die Gesellschaft tragen würden. Wir müssen Hilfsprogramme ausbauen, die den Ländern des Südens eine echte Perspektive eröffnen. Wir müssen die europäische Wirtschaft so umgestalten, dass unser Konsum nicht zulasten der Umwelt und der Lebensbedingungen in anderen Ländern geht. Wir müssen globalen Handel und globale Mobilität mit den Anforderungen eines konsequenten Klimaschutzes vereinen. Nur so stellen wir sicher, dass Menschen außerhalb Europas nicht eines Tages vor Hunger, Durst oder Klimakatastrophen fliehen müssen.
Frieden und Humanität. Ich will, dass diese Wörter in der Politik der EU wieder mehr Bedeutung gefüllt werden. Ich will sie den Phrasen der nationalen Brandstifter*innen entgegensetzen und für ein geeintes, solidarisches Europa stehen. Damit meine Ansichten Gewicht bekommen, brauche ich eure Unterstützung. Ich will als Abgeordnete in das Europäische Parlament einziehen und dafür kämpfen, dass die Menschen in der Zukunft in einer besseren Welt zu leben. Kämpft mit, für ein humanes, Frieden stiftendes Europa!
Dieser Artikel ist im 35. Stachel 05/2019 zur Europawahl 2019 erschienen.