Die Jusos im Kreis Rendsburg-Eckernförde sind Ende Oktober mit den Jusos Dithamrschen und den Jusos Stormarn nach Berlin gefahren. Dass es in Berlin stürmisch zuging, lag, auch wenn man es mitten im Herbst anders erwarten könnte, nicht am Wetter. Im Gegenteil, es war wärmer als mancher Sommer und Wind oder Regen gab es auch nicht. Es war die politische Lage, die es im politischen Berlin etwas unruhig werden ließ.
Während am Sonntagabend die letzten Sachen zusammengepackt wurden und sich die Frage stellte, ob es im Hostel eigentlich Handtücher gibt, wurden in Bayern die letzten Stimmen zur Landtagswahl abgegeben. Wie um 18 Uhr alle feststellen konnten, waren davon nicht einmal 10% für die SPD bestimmt. Die krachende Niederlage, die viele der CSU voraussagten, wurde von der SPD überboten. Mehr als die Hälfte ihrer Stimmen hatte sie verloren. Einstellig in Bayern. Zwar ist Bayern weit von Schleswig-Holstein entfernt, jedoch war uns allen bewusst, dass diese Wahl über den Freistaat hinauswirken würde.

Am nächsten Tag wollten wir das Thema natürlich diskutieren. Wir kamen mit gewohnter Verspätung in Berlin an und diskutierten mit unserem örtlichen Bundestags-abgeordneten Sönke Rix über die Konsequenzen des schlechten Wahlergebnisses. Das haben wir in den letzten Jahren zwar schon häufiger getan, aber die Atmosphäre in Berlin ist jetzt doch eine andere. Es läuft schlecht und das scheinen jetzt endgültig alle zu wissen.
Viele Jusos denken sich, dass die Große Koalition (Stand 22.10. noch im Amt) ein Fehler war und, dass das ja schon vorher klar gewesen sei. Da sich die Wahlergebnisse jedoch nicht davon verbessern lassen, recht zu haben, widmeten wir uns auch der inhaltlichen Erneuerung der Partei.

Passend dazu trafen wir uns mit Nina Scheer, der Bundestags-abgeordneten für Stormarn und Herzogtum-Lauenburg. Nina kennt sich in ihrem Thema Klima- und Energiepolitik bestens aus und uns zu, dass Umweltschutz ein Kernthema der SPD werden müsse. Ein Knackpunkt in der Diskussion war der Konflikt zwischen Umweltschutz und dem Wegfallen von Arbeitsplätzen in umweltschädlichen Industrien. Der Umweltschutz darf nicht auf dem Rücken von Arbeitnehmer*innen bewältigt werden.
Mit dem Bundestagsabgeordneten Lothar Binding, bekannt durch den Zollstock, der seine Reden eindrucksvoll unterstützen kann, begaben wir uns noch auf die Suche nach den Ursachen für die Situation der SPD. Lothar erklärte uns, warum er die Agenda 2010 damals für notwendig hielt und was falsch gemacht wurde.Wir waren uns einig, dass Hartz IV neu ausgestaltet und der ungleichen

Verteilung von Einkommen und Vermögen entgegengewirkt werden muss. Dabei gab es verschiedene Meinungen zu der Frage, ob Arbeitslosengeld II (wenn man es denn beibehielte) abhängig vom letzten Netto Einkommen sein sollte. Einig waren wir uns hingegen darüber, dass das Existenzminimum nicht unterschritten werden dürfe und Sanktionsmöglichkeiten gegen Hartz IV Empfänger*innen deshalb abgeschafft werden müssen.
Mit neuem Wissen im Gepäck trafen wir uns zum Tagesabschluss noch mit Kevin Kühnert, unserem Juso Bundesvorsitzenden. Noch einmal wollten wir über Bayern, Maaßen, Seehofer und all die anderen Dinge der letzten Monate diskutieren. Als Jusos haben wir erwartet, dass die Große Koalition keine gute Idee sein würde, aber dass es so schlimm wäre, hätte niemand gedacht. Trotzdem machte Kevin uns Mut und war zuversichtlich, dass es wieder bessere Zeiten geben würde. So konnten wir nach einem Schock vor der Berlinfahrt zumindest mit leichtem Optimismus ins Bett gehen.

Nachdem wir uns ausführlich mit tagesaktueller Politik befasst hatten, war für Dienstagmorgen ein Treffen mit dem Juso Bundesbüro geplant. Julie aus dem Bundesbüro nahm sich Zeit, um mit uns darüber zu diskutieren, wie wir Juso Angebote für Frauen interessanter gestalten können. Als feministischer Verband ist es für uns ein großes Problem, dass Frauen in der politischen Arbeit noch immer unterrepräsentiert sind. Selbstkritisch betrachten wir deshalb auch die Strukturen und versuchen sie zu verbessern.

Mit neuem „Bella Ciao“ Jutebeutel ausgestattet machten wir uns im Anschluss auf den Weg zu der KZ Gedenkstätte Sachsenhausen. In Sachsenhausen starben tausende Menschen, die dort aufgrund von ihrer Religion, Herkunft, sexuellen Neigung, Behinderung oder politischen Weltanschauung gefangen gehalten wurden. Obwohl wir alle viele Male mit den grausamen Verbrechen des Nationalsozialismus konfrontiert waren, ging uns die Führung sehr nah. Es ist schwer zu begreifen, zu welchen furchtbaren Taten Menschen fähig sind, doch sie wirken realer, wenn man den Ort an dem sie geschahen vor Augen hat. Es war uns gerade in den aktuellen politischen Zeiten, in denen rechte Kräfte immer weiter an Zuspruch gewinnen, ein Anliegen, diese Taten zu thematisieren.
Am letzten Tag unserer Reise legten wir noch einmal einen besonderen Schwerpunkt auf den Völkermord an Jüdinnen und Juden im Dritten Reich. Im Jüdischen Museum wurde dieser eindrucksvoll aufbereitet. Zudem konnten wir uns in einer Sonderausstellung über die Stadt Jerusalem informieren. Eine Stadt, die maßgeblich für den Nahostkonflikt zwischen Israel und dem palästinensischen Volk steht.
Schlussendlich war es eine spannende Berlinfahrt, die von aktuellen Ereignissen geprägt war. Die Nominierung von Katarina Barley zur SPD Spitzenkandidatin wurde in dieser Zeit ebenfalls bekanntgegeben und wurde für uns zu einer Motivation, um jetzt in die Vorbereitungen auf den Europawahlkampf zu starten.